Stell dir vor, du betrittst ein Restaurant und setzt sich, als sei es das natürlichste auf der Welt, zu einer Gruppe Fremder hinzu. Dann, weil Dein Essen ungewöhnlich lang auf sich warten lässt, schleichst du dich in die Küche, um dort die Köchin nach dem Stand der Dinge zu erkundigen. Da fällt dir ein, dass du noch Tomaten dabei hast und fragst sie, ob sie die nicht noch mit einarbeiten könnte.
All diese Handlungen wären durchaus machbar, dennoch sehen wir kaum jemanden, die so etwas tut. Es wäre ungewöhnlich, unkonventionell, weil sie gegen das ungeschriebene Protokoll verstoßen, wie mensch sich in einem Restaurant zu verhalten hat. Nirgendwo ist festgehalten, wie wir hierzulande in eine Restaurant gehen, trotzdem scheinen alle zu wissen, wie das geht. Sie sind kulturelles Wissen, und sie steuern, wie wir miteinander umgehen und uns begegnen.
Was, wenn wir beginnen, diese kulturellen Protokolle umzuschreiben? Wenn wir einzelne Elemente verrücken? Wenn wir ganz neue Protokolle in unser Leben einbauen? Wir beginnen, an unserer Kultur zu schrauben, sie umzubauen, an neue Bedürfnisse anzupassen und unseren Mitmenschen anders zu begegnen. Wir werden zu aktiven Gestalterinnen unserer Kultur, in der wir leben, schaffen, atmen.
Die Cultural Protocols ist eine Reihe von modifizierten und erfundenen Protokollen, die sich einfach und ohne großen Aufwand umsetzen lassen. Sie hinterfragen und erkunden nicht nur unsere existierenden kulturellen Praktiken, sondern stellt unserer Kultur gleichzeitig neue entgegen. Dabei bleiben diese selber stets beweglich und veränderbar. Deswegen fallen die Protokolle auch unter kein Urheberrecht – es gibt nur Leute, die nach ihnen handeln, und solche, die es nicht tun. Kultur lässt sich nicht patentieren, Kultur wird gelebt.
Die Reihe wurde initiiert von Thibault Schiemann und Nina Lund Westerdahl, die seit 2016 mehrere dieser kulturellen Protokolle initiiert und organisiert haben, und seit 2017 angefangen haben, diese systematisch zu sammeln und aufzuzeichnen. Sie probieren verschiedene Settings mit Interessierten aus und stellen diese zur Diskussion.
Nun sind sie mit einem kleinen MiniFestival zu Gast bei transform und bieten jeden Abend ein anderes Setting an. Offen für alle, die Lust haben Dinge einmal anders zu betrachten und an unseren kulturell normierten Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen rumzuschrauben!